Bonos Weihnachtsgeschichte

  • Ka'aiden saß gedankenverloren hinter dem Tresen seiner Cantina. Sie war vielleicht nicht sonderlich groß oder sauber, überall stank es nach Desinfektionsmittel und alkoholischen Getränken, aber trotzdem besuchte eine Vielzahl an Wesen verschiedenster Spezies Tag ein Tag aus die Bar. Normalerweise jedenfalls...
    Heute war der schäbige Aufenthaltsraum fast leer. Es war Heiligabend, die meisten seiner Kunden saßen zu Hause bei ihren Familien und Freunden und feierten. Nur diejenigen, die allein waren, verkehrten heute hier, so wie Ka'aiden selbst. Betrübt ließ er seinen Blick über die wenigen Gäste schweifen. Hoffnungslose Gestalten, an die Wand oder in ihr Glas starrend. Der Anblick machte den Barkeeper traurig. In diesem Moment keimte eine Idee in seinen Gedanken auf. Sollte ich wirklich...?, fragte sich Ka'aiden und ließ sich die ganze Sache noch einmal durch den Kopf gehen. Doch..., dachte er entschlossen und gab sich einen Ruck, ...ich werde mit diesen Personen Weihnachten feiern! Es ist ein Fest der Liebe und des Zusammenseins... Egal, welcher Schicht wir angehören und ob wir einsam sind... Ka'aidan löste den Blick von den Gästen und sah sich in der Bar um. Wirklich weihnachtlich sah hier nichts aus. "Das wird noch etwas Arbeit werden...", murmelte der Barkeeper und trat hinter seinem Tresen hervor...und direkt in den Sumpf des Cantinabodens hinein. Wann er zuletzt Reinigungskräfte bestellt hatte, um die Bar zumindest nach rationellem Ermessen in einem einigermaßen sauberen Zustand zu halten, wusste er nicht mehr. Um neben seinem Tagesgeschäft, dem Bedienen von Kunden mit „Suchtmitteln aller Art“, wie er es nannte, auch noch die Muße zu finden sich reinigend über der Cantina auszulassen, reichte seine Begeisterungsfähigkeit für seine Arbeit nicht aus, auch wenn er selbst meist sagte, es läge an der fehlenden Zeit.
    Während Ka'aiden mit etwas angewiderter Miene seinen Schuh, oder vielmehr das, was so darunter klebte, musterte, richteten sich die ersten Augenpaare der Bargäste auf ihn. Ihr Blick verriet Gedankenlosigkeit und pure Langeweile genauso wie angestrengtes Nachdenken oder gar Traurigkeit.
    „ Hey Leute...“, Ka'aiden erhob die Stimme in der ohnehin schon leisen Atmosphäre und für ihn selbst klang es fast wie schreien, „wie wär´s wenn wir hier ein wenig Weihnachtsstimmung einkehren lassen?“
    Jeder hier im Raum musste ihn verstanden haben, dessen war er sich zweifelsohne bewusst. Dennoch blickte er zunächst in reglose Mienen und nahm keinen Laut wahr.
    „ Fänd ich super, doch...gefällt mir!“ sagte nun eine männliche Gestalt, die ganz außen im Schatten und direkt am Tresen saß, mit wachsender Begeisterung. „ Ich bin auch dabei!“, rief nun ein weiterer Humanoider direkt vor ihm und sah ihn freudig an. „ Wo können wir anpacken?“, vernahm Ka'aiden nun die Stimme einer Frau zu seiner Rechten. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich nun die gute Stimmung im Schankraum, bis sie sogar die letzten Ecken der Cantina erreicht hatte.
    „ Naja...“, antwortete der Cantinabesitzer gedehnt. Auf solch einen Ansturm war er nicht gefasst gewesen, sicherlich, die Unterstützung von ein paar Gestalten hatte er erwartet, aber das gleich die gesamte Cantina Kopf stand?
    „ Ich glaube ich habe noch etwas alte Dekoration in der Abstellkammer, irgendwo hinter dem Ständer mit Jacken, dem Hort der giftigen Spinnen und dem Kristallschädel...“ Kaum hatte er das gesagt, rappelten sich zwei Männer von ihren Tischen nahe der Tür auf, um besagte Dekoration aus der Abstellkammer hervorzukramen. „ Und Schlangen? Gibt es dort auch Schlangen?“ „Nein, nein, keineswegs“, versicherte ihnen der Barkeeper schmunzelnd. „Sehr gut, denn ich hasse Schlangen!“
    „ Und Musik, wie wäre es mit Musik?“, fragte nun die Frau in die Runde, die anfangs schon anpacken wollte.
    „ Musik...Nunja...“, druckste Ka'aiden leicht verlegen herum, „um ehrlich zu sein, hat die Musikanlage schon vor einiger Zeit bei einer Rauferei dran glauben müssen und es hatte sich bisher wirtschaftlich nicht gelohnt eine neue...“ „ Kein Problem, dann singen eben wir!“, schlug die Frau abermals enthusiastisch vor und weitere Stimmen, die „Jawoll!“, „Genau!“ und „So machen wir´s!“ von sich gaben, folgten.
    Mittlerweile war der Stoßtrupp, der die verschollene Weihnachtsdeko aus der Abstellkammer bergen sollte, mit einer ziemlich verstaubten und schon leicht vergilbten Pappkiste wieder im Schankraum aufgetaucht. „Hat hier jemand Deko bestellt?“, witzelte einer der beiden Männer, die den Stoßtrupp in die Untiefen der Abstellkammer Ka'aidens gewagt hatten.
    Schnell waren alte Girlanden und Leuchtketten, bei denen die ein oder andere Glühbirne nicht mehr richtig funktionierte, in der Cantina verteilt und verbreiteten rasch eine weihnachtliche Atmosphäre in der kleinen Bar.
    „ Zur Feier des Tages bekommt jeder ein Freigetränk von mir!“, verkündete Ka'aiden überschwänglich. Freude und Jubel kamen auf, sodass er sich direkt wieder hinter seinen Tresen schwang, um die Bestellungen abzunehmen. Zu jedem einzelnen Getränk, dass er an jemanden mit freudestrahlendem Gesicht ausgab, wünschte er „ Fröhliche Weihnachten!“ und erntete reichlich „Ebenso!“ oder „Danke, ebenfalls!“. So ging es einige Minuten lang, bis sich die Schlange vor seinem Tresen wieder verlief und die Leute an ihre Tische verschwanden.
    Von Ka'aidens Platz aus bemerkte er jedoch, dass nun jene Gestalten, die noch vor einer halben Stunde völlig in sich gekehrt alleine an ihrem Tisch saßen, gemeinsam beisammen waren und sich voneinander erzählen.
    Wahnsinn, dachte er, was Weihnachten doch für eine Kraft hat, sogar völlig fremde Wesen zueinander finden zu lassen...